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Schlagwort: lerntheorie

Konditionierung, Beziehung oder was?

Heute wird es mal etwas wissenschaftlich. Dabei geht es um ein Thema, das mir deswegen sehr wichtig ist, weil einfach sehr viel Fehlinformation und Missverständnisse unterwegs sind, ganz besonders in den sozialen Netzwerken. Da hört man von Haltern, dass sie Clickertraining ablehnen, weil sie ihre Katzen "nicht konditonieren" wollen. Oder es tauchen solche Schlagworte auf wie "Beziehung statt Erziehung" oder "Kommunizieren statt Konditionieren" und vermitteln den Eindruck Konditionierung wäre irgendwie was Böses oder Unnatürliches.
Dabei schließen sich solche Konzepte wie Beziehung und Kommunikation auf der einen Seite und Konditionierung auf der anderen Seite keineswegs aus. Ganz im Gegenteil, sie gehören sogar untrennbar zusammen.
Um das genauer zu beleuchten, machen wir heute mal einen etwas umfassenderen Ausflug in die Lerntheorie.

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Kann man Angst verstärken?

Noch vor einigen Jahren hörte man oft den Rat: Wenn dein Tier Angst hast musst du das ignorieren, sonst verstärkst du die Angst. Heute wissen wir es zum Glück besser, denn Angst kann man nicht verstärken. Das bedeutet allerdings nicht, dass man sie nicht – auch völlig unbeabsichtigt – schlimmer machen kann.

Verwirrt? Keine Sorge, ich versuche die Sache mit der Angst und ihrer Verstärkung mal ein wenig für euch aufzudröseln.

In der Lerntheorie gehört der Begriff „Verstärker“ in den Bereich der operanten Konditionierung. Operante Konditionierung bedeutet grob, dass eure Katze lernt, dass in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Verhalten eine bestimmte Konsequnez hat. Diese Konsequenz kann für die Katze entweder angenehm oder unangenehm sein. Je nachdem wird eure Katze das Verhalten in dieser Situation in Zukunft öfter oder seltener zeigen. Wenn die Katze das Verhalten öfter oder auch intensiver oder ausdauernder zeigt, sagt man: Das Verhalten wurde verstärkt.

Wenn ihr eure Katze also immer füttert, wenn sie maunzend um eure Beine steicht, wird sie – zumindest wenn sie Hunger hat – in Zukunft öfter um eure Beine streichen. Wenn ihr eure Katze mit Spiel ablenkt, wenn sie am Sofa kratzt, wirkt das Spiel als Verstärker. Eure Katze wird zukünftig öfter am Sofa kratzen.

Wichtig ist bei der operanten Konditionierung, dass nur solches Verhalten verstärkt wird, dass eure Katze willentlich ausführen kann. Es ist zum Beispiel nicht möglich eurer Katze über operante Konditionierung beizubringen, ihren Herzschlag zu erhöhen. Das liegt daran, dass der Herzschlag vom vegetativen Nervensystem kontrolliert wird. Eure Katze hat darauf, genauso wie ihr auch, gar keinen willentlichen Einfluss.

Auch Emotionen unterliegen keiner willkürlichen Kontrolle und können deswegen auch nicht operant verstärkt werden. Deswegen ist es tatsächlich so, dass die Angst eurer Katze nicht größer wird, wenn ihr sie mir einen besonders guten Leckerbissen füttert. Genauso könnt ihr eurer Katze ihre Angst nicht über Strafe abgewöhnen. Die Angst passiert ihr einfach. Sie hat darauf keinen Einfluss.

Trotzdem kann man Angst beeinflussen, sie also im umgangssprachlichen Sinn „verstärken“ (stärker machen) oder abschwächen. Grund dafür ist ein anderes Konzept der Lerntheorie, die klassische Konditionierung.

Grob passiert bei der klassichen Kinditionierung nichts anders, als dass zwei Ereignisse, die einigermaßen zuverlässig zusammen auftauchen, miteinander verknüpft werden. Dabei kündigt normalerweise das erste Ereignis das zweiten an. Beobachten könnt ihr das gut, wenn ihr zur Fütterungszeit die Kühlschranktür öffnet. Kommt eure Katze sofort in freudiger Erwartung in die Küche gerannt? Das liegt daran, dass sie das Öffnen der Kühlschrankftür mit der Fütterung verknüpft hat.

Eine Unterart der klassichen Konditionierung ist die sogenannte konditionierte emotionale Reaktion (KER). Bei der klassichen Kondtionierung werden nämlich nicht nur äußere Reize, sondern auch Emotionen verknüpft. Bei Katzen erlebt man das sehr häufig, wenn sie panisch unter dem Bett verschwinden, sobald es an der Tür klingelt. Das Türklingeln an sich ist zunächst nichts Furchteinflößendes. Es kündigt aber den Angstauslöser „fremder Mensch kommt ins Haus“ an. Deswegen löst die Türklingel selbst oft schon Angst aus, völlig unabhängig davon, ob der Besuch tatsächlich das Haus betritt oder nicht.

Auch bei euch selbst könnt ihr die KER beobachten: Habt ihr ein Lied oder einen Duft, bei dem ihr euch sofort entspannt, wenn ihr es hört bzw. riecht? Diese Entspannung ist klassisch konditioniert. Oder hattet ihr, was ich euch nicht wünsche, vielleicht mal eine Unfall und jedes Mal wenn ihr an der Stelle vorbeifahrt werdet ihr nervös? Auch das ist eine KER.

Und eben über diese klassiche (emotionale) Konditionierung könnt ihr die Emotionen eurer Katze beeinflussen. Wenn ihr eurer Katze, während sie Angst hat, etwas zukommen lassen, dass bei ihr positive Emotionen auslöst, dann wirken diese als Gegenpol zur Angst und schwächen sie etwas ab. Das ist das Prinzip der klassischen Gegenkonditionierung. Wenn eurer Katze dagegen, während sie Angst hat, noch etwas zusätzlich Unangenehmes widerfährt, so kann das ihre Angst schlimmer machen.

Ganz wichtig ist dabei: Was eure Katze als positiv oder negativ empfindet hängt von ihrem subjektiven Empfinden in der entsprechenden Situation ab. Das heißt, auch wenn eure Katze normalerweise sehr gerne kuschelt, kann es sein, dass sie die körperliche Nähe in einer Angstsituation als unangenehm empfindet. Dann wird euer als Trösten gemeintes Streicheln ihre Angst eher verschlimmern. Eure Katze lernt: Wenn ich Angst habe, streichelt micht mein Mensch auch noch, obwohl ich Köperkontakt gerade kaum ertragen kann.

Deswegen ist es in Angstsituation, noch mehr als sonst, ganz wichtig genau darauf zu achten, was für eure Katze tatsächlich gerade hilfreich ist. Es kann sein, dass das Nähe ist, oder Ablenkung mit Futter oder Spiel. Es kann aber auch sein, dass sie sich lieber an einem sicheren Platz verkriechen und in Ruhe gelassen werden möchte.

Ihr seht also: Ihr könnt die Angst eurer Katze im lerntheoretischen Sinn tatsächlich nicht verstärken. Deswegen ist es völlig okay und auch wichtig, eurer Katze in Angstsituationen beizustehen und ihr zu helfen. Ihr müsst aber trotzdem aufpassen, dass ihr die Angst eurer Katze dabei nicht in bester Absicht verschlimmert, einfach weil ihr etwas tut, das eurer Katze gerade unangenehm ist.

Ihr habt allgemeine Fragen zu Verhalten, Erziehung und Beschäftigung von Katzen? Schreibt mir gerne eine E-Mail an blog@felipaws.de mit euren Themenwünschen.